schlag 13 – teil 2

moribund
frühstück in einem diner an einem regentag. Kaffee und tabakrauch bei grauem ausblick aus dem fenster. Eine auf die einfache art hübsche und etwas schlampenhafte bedienung. Wenige gäste am frühen sonntagmorgen. Eine zeitung, die vom verschwinden eines teenagers berichtet und von der kommenden kälte und der anstehenden saison der stürme. Warten. Polizeisirenen und motorgeräusch. Eine zusammengerollte zeitung unter dem arm. Ein einfacher schwarzer anzug, weißes hemd, ohne krawatte. Eine auf den ersten blick unscheinbare gestalt, auf den zweiten sonderbar beunruhigend, hart und bestimmt, still. Der mann legt geld auf den tisch, verlässt den diner. Er steigt in sein auto, groß, amerikanisch, schwarz, lässt den motor an hängt sich an das schwächer werdende geheul der sirene. Eine fahrt über flaches farmland. Eine zusammenrottung von polizeifahrzeugen bei einem dutzend bäumen. Ein tatort. Mordschauplatz. Er fährt langsam daran vorbei, bremst auf schritttempo ab, lässt im lehrlauf den motor aufheulen, legt den ersten gang ein und gibt gas wie der teufel. Polizisten springen in ihre wagen, drei autos verfolgen ihn und bleiben gerade so in sichtweite an ihm dran. Er biegt auf die zufahrtsstraße zu einem alten sägewerk ein, das ein stück weiter direkt am fluss liegt, stellt seinen wagen mitten auf dem alten gelände ab. Die polizisten haben ihn auf der landstraße für einige hundert meter aus den augen verloren und fahren an der zufahrt vorbei. Ihm bleibt daher etwas zeit. Im handschuhfach liegt ein triefendes bündel, eine ältere ausgabe der selben zeitung, um etwas blutendes gewickelt. Er holt es heraus, greift es mit der neuen zeitung und wickelt sie darum, darauf bedacht, dass das blut ihm nicht die kleidung versaut, steigt aus dem auto, lässt handschufach und tür offen und geht zu dem kleinen haus, dass an die werkhalle anschließt. Von dem päckchen in seiner ausgestreckten hand fallen blutstropfen, die eine gerade linie von auto zu haus ziehen. An der tür angekommen hört er die sirenen wieder lauter werden. Er stößt die angelehnte tür mit dem fuß auf und legt das päckchen auf die schwelle, schlägt die nassen lappen zeitung auseinander, so dass der inhalt offen daliegt. Er murmelt dabei ein paar worte, nimmt mit dem zeigefinger blut auf und berührt damit seine stirn. Dann geht er hinein.

Die polizisten finden das fehlende herz eines teenagers und schauen angewidert und zornig in den heruntergekommenen flur hinter der eingangstür. Mit revolvern in den händen treten sie über die schwelle. Den ersten haben sie durchgelassen, denn der hat ein geschenk mitgebracht, außerdem ist er absolut cool, zeigt keine angriffsfläche, keine emotionale schwäche. Die anderen, die jetzt hereinkommen, sind etwas anderes. Wut, anspannung, überdeckte angst bieten alles was es braucht um ihre seelen auseinander zu reißen. Ihre waffen fangen an zu zittern, schon als sie nur wenige schritte in das innere des hauses vorgedrungen sind. Ein schuss löst sich wie von selbst. Die tür fällt hinter ihnen mit lautem scheppern zu. Das licht, das durch die beiden fenster hereinfällt verdunkelt sich wie bei einer sonnenfinsternis. Einer geht in die knie, die waffe schwankend in den flur gerichtet. Ein anderer weicht rückwärts zur tür, nachdem er dort niemanden gesehen hat und wird ruckartig einen kopf kleiner als ihm mit einem scharfen geräusch die füße unter den beinen weggeschnitten werden. Sein schrei bleibt in seiner kehle stecken, er schlägt mit blutigen stümpfen auf dem dielenboden auf und kippt nach vorne, wobei sich ein schuss aus seinem revolver löst und dem am eingang zum flur den schädel öffnet. Der dritte sieht etwas, das seine vorstellungskraft übersteigt und seine haare erbleichen während er in die knie geht und an einem aufsteigenden weinkrampf vorbei ein gebet zu sprechen versucht. Boshaftes lachen schlägt aus der luft auf die heiligen worte ein und zerfetzt sie wie sprödes laub. Zwei weitere polizisten, die um die rechte seite des hauses herum zur hintertür vorgedrungen sind weichen instinktiv einen schritt zurück und richten ihre waffen auf die tür. Die öffnet sich und ein höllischer gestank schlägt heraus. Eine kraft reißt die beiden männer hauswärts von den füßen und die öffnung verschlingt sie mit einem saugenden geräusch, wobei arme und beine fuchteln und schreie von pesthauch erstickt werden. Ein sechster mann steht noch am vordereingang, als die tür zufällt, hört und sieht dinge, die ihm erst die beine lähmen und ihn dann wie aufgescheuchtes wild in panik zu den autos rennen lassen. Er entkommt und wird sich seiner feigheit erst bewusst als er bereits auf halbem weg zum früheren tatort wieder herr seiner selbst wird.

Ein knarrender bürostuhl, ausgestreckte beine, verschränkte arme. Der geist ist leer, ebenso der ausdruck im gesicht. Keine blöße, so dass die anwesenden teufel nicht wissen, was sie mit ihm anfangen sollen und sich aus vorsicht in respektvollem abstand halten. Der mann weiß genau was um ihn herum vorgeht. In verborgenen schichten seines bewusstseins steht die reine lust an der beherrschung. Alles geschieht mit berechnung. Die seelenlosen verstehen nicht, dass sie jetzt in seiner gewalt sind, nachdem sie seine gabe angenommen haben. Sie haben ihm wie junge hunde aus der hand gefressen und gehören fortan ihm, ungeachtet ihres alters, ihrer ganzen verruchtheit und ihrer macht.

Veröffentlicht von

Tobias Reckermann

Schriftsteller Mitarbeiter bei Whitetrain