the drunken strigoi

Er taumelt eine dunkle gasse aufwärts, stößt sich alle paar schritte an den häusern ab, die die wände dieses korridors bilden. Der rausch tost in seinen venen, er ist betrunken und gleitet mit unwillkürlichem geschick über das unebene pflaster. Die leichtigkeit eines flughundes und die schwere eines menschlichen körpers treiben ihn wie einen traum voran. Die augen rot, die pupillen ganz weit. Sein durst ist noch nicht gestillt. Dunkle flecken um den mund, auf dem hals und dem hemd, die hände noch feucht. Ein tierhaftes gröhlen dringt aus seiner kehle, ein ruf der aus verschiedenen richtungen beantwortet wird. Er hastet weiter, wirft sich mit jedem schritt tiefer in den rausch. Die rufe der anderen trunkenbolde kommen näher. Sie alle erreichen den marktplatz unter der burg zur gleichen zeit und halten für wenige augenblicke an seinem rande inne, recken die köpfe nach vorn und brüllen jeder den anderen entgegen, die fäuste geballt. Das wenige licht malt alphafte schatten um ihre gestalten. Dann stürmen sie aufeinander los und entfesseln ihre gier in einem wilden streit auf leben und tot. Die bürger, alle die ihnen zuvor nicht zum opfer gefallen sind, verbergen sich in den häusern der stadt, mit geschlossenen läden und verriegelten türen. Das geht schon seit jahren so, immer kämpfen sie bis zum morgengrauen. Damals dachte ich, damir ginge fremd und betete in der kirche des heiligen georg, dass er auf den rechten pfad zurückkehren würde, inzwischen weiß ich, dass er außer der wollust noch weitere todsünden auf sich geladen hat. Heute ist die nacht des heiligen andreas, der herr der wölfe ist mit ihm. Damir, mein mann ist ein strigoi. Und einmal im jahr geht er los um sich zu betrinken. Das miletoi habe ich versteckt. Aber das wird ihn nicht hindern. Er ist kein vampir, jedenfalls nicht im üblichen sinne, denn er ist durchaus lebendig, kein toter und kein untoter, er ist kein wiedergänger, kein wurdelak, zum glück! Aber seit ihn vor ein paar jahren diese vampirschlampe gebissen hat, lebt er an diesem einen tag im jahr das aus, was er nach seinem tod sein wird, ein richtiger blutsauger nämlich. Ich bete und fluche abwechselnd. Ich bete zu gott und verfluche den teufel für seine heimtücke – seine bleichen kinder sind der niedergang meiner heimat, der ruin meines volkes. Ich liebe damir wie eine frau ihren gatten nur lieben kann und deshalb halte ich für den tag seines todes den pfahl bereit, ich werde ihn retten, vor diesem grausamen schicksal, wie ein tollwütiges tier durch die nacht zu streifen. Ich werde es tun, wenn es soweit ist.

(c) venom&claw

Veröffentlicht von

Tobias Reckermann

Schriftsteller Mitarbeiter bei Whitetrain