der traum von der wahren gestalt

ich war Also wieder guter dinge, schloss die augen und schlug auf den weg ein, der mir der rechte schien, hinauf ins hügelland.

In den bergen dieser zeit lebte ein mann, der sich selbst aus einem gedanken ge-schaffen hatte. Jeden morgen legte er sein neuronales geschirr an und hackte von einem hohen gipfel aus in den nexus um seinen willen für den tag in den kalten nebel zu schreiben. Dazu behalf er sich mit einem zauber, der bedinee tastaatur hieß.

der Magmatroll ist einer meiner besten freunde, also wollte ich ihn besuchen. die verheißung des fließenden steins, darauf ist er richtig hängen geblieben. er sagt: „in der tiefe herrscht nicht die dunkelheit allein, weißt du, da unten gibt es licht! Und ei-nen scherenschnitt der wirklichkeit aus rissiger tapete, den irgendwer mit jauche ü-bertüncht hat. Die gnome haben ihn wieder freigelegt und damit hat sich alles verän-dert, zum guten!“ und grinst mich an. Ich weiß nie so genau, was ich denken soll wenn er das tut. Ich fand schon immer, das bei seinem gesicht etwas mehr liebe zum detail nicht schaden würde, glaube aber, dass er sich einfach nur nicht festlegen möchte. Es war noch sehr früh am morgen, als ich bei ihm ankam und so stieg ich gleich zu dem gipfel auf. Der nebel um mich her war von geist so erfüllt, dass mir der schädel dröhnte und erst ganz oben angelangt waren meine gedanken wieder frei. Also daher kommt es, dachte ich, dass der troll sich jeden tag die mühe macht, so hoch zu steigen, weiter unten wo seine höhle liegt ist der fremde geist so fett, dass er sich nie sicher sein könnte, dass es wirklich sein wille ist, den er von sich gibt. Das Hier aber ist nun wirklich ein gedankenloser ort, ein vakuum, in dem er sich frei be-wegen kann.

Etwas später dann erzählte ich meinem freund von dem, Was zuvor geschehen war:

Diese nacht war hell, darum dachte ich nichts böses und nahm meine füße zur hand. Eilig wie das kaninchen um nichts zu verpassen, und zur rechten zeit am rechten ort zu sein. Ticktack die uhr ging mir voran und unter dem schatten, den der mond hinter die bäume warf sah ich den kreuzweg, an dem mein geschick auf mich warten wollte. Von den sanften hügeln aus, auf denen ich mich befand rollte der weg dorthin wie ein fluß in den heraklit steigen würde. Nur einmal natürlich und die gelegenheit ließ ich mir nicht entgehen. Voll freudiger ahnung und dem gesunden prickeln der lebendig-keit warf ich mich in diesen strom und erreichte den wendepunkt beinahe als ich von dort einen gedanken auf mich zukommen sah.

Der gedanke hieß tod und ich fand, er sei erschreckend anzuschauen. Ja ich hielt ihn für gefährlich, so sehr, das ich ihn nicht zu denken wagte. Ich wollte von ihm abstand nehmen, ihm aus dem wege gehen – zunächst, doch allzu bald schon merkte ich, dass ich begann ihm hinterher zu hängen und das es mich drängte, ihm hinterher zu jagen. Ich würde ihn festhalten, ihn auseinander nehmen, mit ihm fertig werden, be-vor er um sich greifen und sich festsetzen konnte, ihn einfangen, den gedanken, wie einen luftballon und ihn unterdrücken, bis die luft rausginge, oder bis er platzte, ihn ausmerzen und abhaken. Nun, der gedanke war flüchtig, vielleicht auch einfach frei und ganz unabfassbar, auch nicht in worten.

Er muss an diesem ort zuhause sein, dachte ich. Jeder kreuzweg hat etwas vom tod an sich. Sobald ich fort bin, wird er sich hier wieder einnisten. Ich nahm mir vor, ihn bei unserem nächsten treffen einfach zu akzeptieren, ihn willkommen zu heißen, mich mit ihm anzufreunden, so gut es eben geht. Vielleicht würde ich ihn mir zu eigen machen und ihn mit anderen aneinander reihen, das würde ihn sicher etwas ent-schärfen.

Der magmatroll nickte mitfühlend. Wir hatten uns auf dem berg niedergelassen und er war meiner erzählung mit schweifendem blick gefolgt. nach einer weile sagte er: wann wirst du dich eigentlich endlich auf eine gestalt festlegen. Ich kenne dich nun schon so lange und weiß doch nicht wer du wirklich bist, so formlos, wie du vor mir sitzt. Kein wunder, dass du an jeder kreuzung stehen bleibst und gedanken an den tod dich plagen. Ich glaube fast es ist der glaube was dir fehlt, mein freund. Der ne-bel hatte sich längst gelichtet als er seine hand hob und mit dem finger auf eine mit fellen gedeckte hütte zeigte, die sich in dem tal vor uns an einen felsen lehnte.

Die frau die hier niederkommt ist noch sehr jung, vielleicht fünfzehn oder sechzehn jahre alt. Ihr brüste sind voll und schwer und wiegen sich unter ihrer anstrengung wie die wipfel von bäumen im sturm. Ihr gesamter leib ist von schweiß eingehüllt und verströmt einen starken duft, der sich wie ein schleier um die hütte legt. Sie ist allein mit ihrer mühe, die erst zuende geht als auch das zweite kind aus ihrem leib gefun-den hat. Mit letzter kraft legt sie die zwillinge an ihre seiten und fällt in einen dämmer der erschöpfung. Hände und füße der beiden säuglinge sind krallenbewehrte klauen, die sie in das zarte fleisch ihrer mutter graben, mit denen sie sich an den nahrung spendenden brüsten festhalten wie raubvögel an ihrer beute. Ihre mäuler sind voller spitzer langer zähne. ihr durst ist unersättlich. Sie saugen milch und blut und lebens-kraft aus der frau bis nichts weiter als eine trockene hülle für ausgesaugte knochen übrigbleibt. Die qual ist gnädigerweise von mutterglück und erschöpfung gedämpft, so dass erst im moment ihres todes die erkenntnis zu ihr kommt. Die kinder würden sich als nächstes gegenseitig auffressen, käme nicht ihr vater hinzu, nähme sie je in eine seiner starken hände und trennte sie so im letzten augenblick. Er wird, da er ein könig vieler lande ist, jedem der beiden ein reich schenken. Ein land und ein volk, das sie genauso aussaugen werden wie sie es mit ihrer mutter getan haben. Ihr wille wird aber eines tages so groß geworden sein, dass die reiche aneinanderstoßen und so wird es schließlich doch noch dazu kommen, dass sie sich gegenseitig zerflei-schen.

Ich war recht schockiert von diesen worten, von dem vorgang und von dem weitblick meines freundes. Betreten schaute ich um mich, übelkeit stieg in mir auf und ich wandte mich ab von der szene. Der arme magmatroll scheint auf diesem berg von allen bösen geistern umgeben zu sein. Bewundernswert, wie er sich trotzig behaup-tet. das schicksal ist doch grausam sagte ich zu ihm. man sollte es unbedingt ver-meiden, selbst dann, wenn man dazu an der wirklichkeit vorbeigehen muss. Jeder sollte sein glück selbst in die hand nehmen können. Daraufhin er: du darfst nicht ver-gessen, das auch das werkstück eines glücksschmieds nur so gut sein kann, wie der rohstoff den er nutzt. Wenn er dem geschick zum beispiel beine macht aus sprödem eisen, und der winter kommt mit feuchtem wetter, so dass es rostet und im frühling dann die knochen brechen… den satz ließ er dann unvollendet.

Am ende dieses tages, auf dem heimweg, kam ich wieder an dem kreuzweg an, doch ließ den tod einfach links liegen, erwog noch kurz , mir auf dem gedankenstrich arbeit zu suchen, doch der war mir zu voll von zwielichtigen gestalten und, trollte mich schließlich erschöpft nach hause

(c) venom&claw

Veröffentlicht von

Tobias Reckermann

Schriftsteller Mitarbeiter bei Whitetrain