the drunken strigoi

Er taumelt eine dunkle gasse aufwärts, stößt sich alle paar schritte an den häusern ab, die die wände dieses korridors bilden. Der rausch tost in seinen venen, er ist betrunken und gleitet mit unwillkürlichem geschick über das unebene pflaster. Die leichtigkeit eines flughundes und die schwere eines menschlichen körpers treiben ihn wie einen traum voran. Die augen rot, die pupillen ganz weit. Sein durst ist noch nicht gestillt. Dunkle flecken um den mund, auf dem hals und dem hemd, die hände noch feucht. Ein tierhaftes gröhlen dringt aus seiner kehle, ein ruf der aus verschiedenen richtungen beantwortet wird. Er hastet weiter, wirft sich mit jedem schritt tiefer in den rausch. Die rufe der anderen trunkenbolde kommen näher. Sie alle erreichen den marktplatz unter der burg zur gleichen zeit und halten für wenige augenblicke an seinem rande inne, recken die köpfe nach vorn und brüllen jeder den anderen entgegen, die fäuste geballt. Das wenige licht malt alphafte schatten um ihre gestalten. Dann stürmen sie aufeinander los und entfesseln ihre gier in einem wilden streit auf leben und tot. Die bürger, alle die ihnen zuvor nicht zum opfer gefallen sind, verbergen sich in den häusern der stadt, mit geschlossenen läden und verriegelten türen. Das geht schon seit jahren so, immer kämpfen sie bis zum morgengrauen. Damals dachte ich, damir ginge fremd und betete in der kirche des heiligen georg, dass er auf den rechten pfad zurückkehren würde, inzwischen weiß ich, dass er außer der wollust noch weitere todsünden auf sich geladen hat. Heute ist die nacht des heiligen andreas, der herr der wölfe ist mit ihm. Damir, mein mann ist ein strigoi. Und einmal im jahr geht er los um sich zu betrinken. Das miletoi habe ich versteckt. Aber das wird ihn nicht hindern. Er ist kein vampir, jedenfalls nicht im üblichen sinne, denn er ist durchaus lebendig, kein toter und kein untoter, er ist kein wiedergänger, kein wurdelak, zum glück! Aber seit ihn vor ein paar jahren diese vampirschlampe gebissen hat, lebt er an diesem einen tag im jahr das aus, was er nach seinem tod sein wird, ein richtiger blutsauger nämlich. Ich bete und fluche abwechselnd. Ich bete zu gott und verfluche den teufel für seine heimtücke – seine bleichen kinder sind der niedergang meiner heimat, der ruin meines volkes. Ich liebe damir wie eine frau ihren gatten nur lieben kann und deshalb halte ich für den tag seines todes den pfahl bereit, ich werde ihn retten, vor diesem grausamen schicksal, wie ein tollwütiges tier durch die nacht zu streifen. Ich werde es tun, wenn es soweit ist.

(c) venom&claw

the draw

was war nur an diesen kugeln, dass sie einen immer wieder dazu brachten, auf sie hinabzusteigen? möglicherweise wirkte die anziehungskraft der masse auf den geist ebenso wie auf die materie. faro schaute aus seinem abteil, entlang der sich verjüngenden kette aus wagons auf die gefleckte oberfläche des planeten und wunderte sich über sich selbst. sifereth war eine welt der toten, ein geisterplanet, war er es für lange jahrtausende gewesen. planeten. was war nur an ihnen, dass wesen sich immer wieder an sie banden, obwohl sie auf ihnen immer wieder milliardenfach verreckten? der zug relativierte seine geschwindigkeit. faro erschien der eintritt in die atmosphäre wie ein gleitflug auf schwingen und er fragte sich, ob fliegende lebewesen sich oft fragten, ob sie, wenns sie einmal gelandet waren, sich jemals wieder über den grund würden erheben können. die welt die er verlassen hatte war ein schlachthaus gewesen, warum sich erneut in solche gefahr begeben? menschen mussten sich ausbreiten. stabile populationen waren ohne zwang nicht zu realisieren, freiheit war undenkbar, wenn man sich gegenseitig aus platzmangel auf die füße trat. zu den sternen aufzubrechen war für fortgeschrittene gesellschaften der einzige weg, der nicht in dauerhafte unterdrückung und am ende in den untergang führte. auch das ausweichen in die netzwelten stellte sich in den meisten fällen nur als alternativer weg in den selben kerker, in die selbe ausweglosigkeit heraus. für faro, der vieles ausprobiert hatte, den parlamentarischen weg, als er noch an recht und ordnung geglaubt hatte, gewaltfreien protest, als er noch von der grundgütigkeit der menschen überzeugt gewesen war, bewaffneten freiheitskampf, als er mit seiner geduld ans ende geraten, netzbürgerschaft und schließlich innere emigration, nachdem sein feuer verraucht war, bedeuteten all diese variationen nur noch einen reigen trauriger theaterstücke, die immer den selben ausgang hatten. er konnte sehen, wie weit vorn entlang seiner weißen linie der zug die oberfläche sifereths berührte und wie ein gewöhnliches erdgebundenes fahrzeug darüber hinrollte. mit etwas wackligen knien stand faro auf, nahm sich einen moment um seine glieder von seinem entschluss zu überzeugen, nahm dann seinen kleinen koffer von der ablage und ging in richtung der türen. er nahm die einzelheiten des abteils und der darin sich befindenden in sich auf, wie einer, der zum letzten mal im leben seine familie sieht und hielt kurz inne um ein paar tränen zu verlieren. leute stiegen in den zug, um der verfolgung und der vernichtung zu entgehen, überall am firmament. sie alle hatten teil an einer wichtigen idee, zumindest hielten sie, die mitfahrenden selbst die idee für wichtig, webten daran, seit bewusstsein und freiheitsdrang im all herumgeisterten, auch wenn andere sie für ärgerlichen blödsinn hielten. eine gefährliche idee, eine idee, die aus unzähligen facetten bestand und eben darin, dass sie bloß eine idee war und nichts wirklich greifbares. unzählige waren für sie gestorben, würden auch in zukunft für sie sterben, für eine idee, die sich mit sicherheit niemals verwirklichen, oder genauer, die sich niemals realisieren lassen würde. eine verrückte angelegenheit, dachte sich faro und erkannte im gleichen augenblick, dass seine tränen nicht der trauer entsprangen, sondern dem stolz. die leute blieben solange sie wollten, solange sie es brauchten. niemand konnte einen zwingen, den zug wieder zu verlassen. leute die den zug verließen wussten, dass alles was sie versuchen mochten, nur ein versuch bleiben und mit einiger gewissheit auf lange sicht scheitern würde. sei’s drum. wer nicht zu scheitern verstand, konnte nicht frei sein. faro war sehr lange passagier gewesen, hatte genaugenommen schon immer gründlich nachgedacht, anstatt sich hinreißen zu lassen. umso entschlossener fühlte er sich jetzt. ein neuer versuch. sifereth war soweit, nicht mehr tödlich und bereit, begrünt und neu belebt zu werden. am ausstieg hatten sich bereits einige leute eingefunden und sie nickten sich gegenseitig zu. faro schaute durch die scheiben und sah sich auf bodenniveau über eine ebene gleiten. seine beine kribbelten und freude stieg in ihm auf. die synchronisation der geschwindigkeiten von planet und zug war abgeschlossen. der wagon stand relativ betrachtet still, die türen öffneten sich und faro und seine gefährten traten hinaus in die welt.

(c) venom&claw

Dylans lied von der mannigfaltigkeit

der angriff kam aus dem nichts, hinter blenden universaler schwärze hervor und überzog die wagons mit rotem feuer. Das weiß beantwortete ihn mit eigenem erstrahlen und warf die geballte energie als streu in die leere zurück. Die wagons, die in direkter opposition zu den aggressoren standen öffneten sich und gaben eine anzahl taktischer projektile frei, die für eine lange unwahrscheinlichkeit darauf gewartet hatten, ihre bestimmung zu erfüllen. Auf piraterie sollte man vorbereitet sein. Der zug führte deshalb sein dunkelstes vermächtnis mit sich, seit er zu den sternen aufgebrochen war. Sein vermächtnis aus der finstersten abstammung aus der seine idee von sich selbst entstanden war. Die gefechtsköpfe detonierten außerhalb der schutzhülle und richteten ihre zerstörungskraft zielsicher auf das aus einem dutzend marodeuren bestehende kommando. Dylan schaute zu, wie schwerelose blüten aus licht aufflammten und vor dem schwarzen hintergrund des alls wieder verloschen. Die angriffe folgten den gesetzen des zufalls und der statistischen häufung. Der zug fuhr durch alle welten und durch alle zeiten, war damit gleichzeitig überall und nirgends. Nur eine wahrscheinlichkeit seitwärts oder abwärts hatte dieser überfall nicht stattgefunden und dylan entschied sich instinktiv für eine variation in der alles friedlich geblieben und der zug selbst nicht transportmittel von vernichtungsmaschinen, sondern von hoffnungsvollen wesen war, die zu unbekannten horizonten aufgebrochen waren um eine bessere welt zu erreichen. Aus seinem abteil heraus hatte er freien blick auf einen nebel, der in vier farben fraktale muster webte und er nahm sich den augenblick um dem wunder des universums seine achtung zu zollen, dann wandte er sich wieder seinem gegenüber zu. Der mann hatte sich mit dem namen lundin vorgestellt. Er war sehr dunkelhäutig und grobknochig, trug lange dreadlocks und ein sammelsurium aus kleidung und talismanen, armreifen und tätowierungen. Wie als antwort auf eine frage, die nicht gestellt worden war sagte er:
„mit meiner art von traumzeit hat das nichts zu tun“, und schaute mit einiger ironie im blick zu dylan herüber. „diese fähigkeit die sie da haben überrascht mich, wenn ich ehrlich bin. Ich kann nicht anders, als der möglichkeit echter zauberei eine gewisse relevanz einzuräumen.“
das kam dylan so seltsam vor, dass er begann, naheliegende stränge zu durchsuchen, bis er auf einen stieß, in dem lundin als weißer im schwarzen anzug vor ihm saß und anstatt einer dreadlock sein ticket zwischen den fingern drehte. Zwei lundins aus zwei welten, zwei ideen, die an einem punkt miteinander koexistierten und damit zwei gestalten der selben form darstellten. Dylan begann ohne zögern zu reden:
„wissen sie, es geht ja nicht um das produkt. Identität, essenz und potenz, darüber sollten sie sich gedanken machen. Ein konstrukt, das zugleich an jedem punkt in jedem raum und auf jedem beliebigen abschnitt auf jeder zeitachse und zugleich nirgends vorhanden ist, das ist utopie. es geht nicht darum, ein ziel zu erreichen, sondern darum unterwegs zu sein.“
lundin lächelte weiter, wie eingefroren. Dieser feine herr war natürlich eine bombe, hatte aber offensichtlich noch nicht begriffen, dass das was er in der hand hielt und worin er sich befand selbst explosiv war.
„auf dem hauptstrang könnten sie argumentieren, dass es sich hier um eine bloße idee handelt, aber die frage auf die sie, wenn sie begabt sind stoßen werden, die alles entscheidende frage ist, ist es eine gute idee? Sie können jetzt einfach tun, wozu sie hergekommen sind, aber das ändert überhaupt nichts.“
die ironie wich jetzt aus lundins blick und machte platz für aufkeimende wut.
Dylan entschloss sich, noch einen moment zu bleiben und auf den trumpf noch einen drauf zu setzen, nur um zu sehen, wie lundin die hutschnur platzte.
„sie können eine idee nicht vernichten, vor allem dann nicht, wenn sie hoffnung bedeutet. Der zug ist unbesiegbar!“
lundin zündete. Als die aufbrechende energie sein gesicht zerriss, stieg dylan auf einen benachbarten strang, schloss die augen und schlief mit einem lächeln wieder ein.

(C) venom&claw

Sooka rides the train

sooka war zu lange auf den beinen um sich weiter aufrecht zu halten und setzte sich auf das dach eines der wagons. ewiges weiß umgeben von ewigem schwarz. immerhin war sie nicht die einzige, wie sie feststellte, als sie weiter vorn vier gestalten ausmachte, die um ein büchsenfeuer versammelt waren. sie raffte sich wieder auf und lief die paar wagons weiter in fahrtrichtung, bis sie bei der kleinen gemeinschaft ankam. Der hund war aufgestanden und hatte kurz laut gegeben um sich dann wieder hinzulegen und sich von einem der drei männer die ohren kraulen zu lassen. hobos, in abgerissenen kleidern, mit zu bündeln gerollten decken, kaffee auf dem spirituskocher. die drei schauten zu ihr auf, unter schiebermützen und luden sie ein sich zu ihnen zu setzen. einer war jung, nicht älter als sechzehn und schmächtig und schaute immer wieder zu dem älteren neben ihm, wie zu einem vater, oder onkel hin. der war um die vierzig und kompakt, mit ergrauendem bart. er stellte den jungen und sich selbst vor und reichte sooka eine dampfende blechtasse. der dritte mann war etwa dreißig, hatte ein breites kreuz und starke arme, die in hochgekrempelten ärmeln steckten und drehte mit seinen großen händen tabak. er bot ihr die zigarette an, die sie dankend ablehnte und zündete sie sich dann selbst an, blies blauen rauch aus, bevor er ihr seinen namen sagte und ihr die hand hinstreckte. ein fester, trockener händedruck. der junge, joseph, sagte gar nichts. hal, der ältere fing an, ihr fragen zu stellen: ob sie auch auf der suche nach arbeit sei? warum sie als frau allein unterwegs war? wo ihre eltern herkamen? weil sooka nicht wusste, was er von ihr erwartete, redete sie sich heraus, ohne direkte antworten zu geben und blieb mit dem blick immer wieder an samson, dem dritten hängen, der in ihrem alter war und eine beeindruckende erscheinung abgab. er rauchte, kümmerte sich um den bohnentopf und schaute nebenbei immer wieder aus dem augenwinkel zu ihr herüber, als wäre er zu beschäftigt, wirkte dabei aber eher schüchtern. Der hund der bei joseph lag, schaute mit intelligenten augen zu ihr auf. Sie fühlte sich geborgen. Die szene gab ihr etwas, das sie an diesem ort nicht zu finden gehofft hatte. Hal stellte sein fragen ein und bot ihr stattdessen an, sich aus dem topf zu bedienen und dann ein wenig zu schlafen. Sooka, so erschöpft sie auch war, hatte nicht an schlaf gedacht, aber nachdem sie mit den anderen zusammen gegessen und joseph auf seiner maultrommel zu spielen begonnen hatte, zwangen sie ihre müden glieder dazu.

zwischen den sternen ändert sich der ausblick nur langsam, selbst wenn man mit für menschen unvorstellbarer geschwindigkeit reist. Die gestirne bleiben gleich, die abstände und relationen verändern sich kaum. Im umkreis von vielen lichtjahren sieht das all immer gleich aus. Ein transportmittel wie dieser zug scheint sich darum auch kaum zu bewegen, obwohl er es tut, mit unvorstellbarer geschwindigkeit. Die wagons sehen alle gleich aus, einer wie der andere. Sooka springt vom einen zum nächsten, wie es ihr vorkommt seit einer ewigkeit, von hinten nach vorn. Beides verjüngt sich bis ins unendliche. Huderttausende, vielleicht millionen, unendlich viele wagons, die sich alle zum verwechseln ähnlich sehen und lautlos durch die schwerelosigkeit rasen. Rollen werden sie wohl nicht, denn ein gleis ist nicht zu sehen und würde auch kaum einen sinn ergeben. Oben und unten ergibt sich vielleicht nur aus dem umstand, dass sooka auf einer seite der wagons bleibt, auf der sie die vertrauenerweckende schwerkraft empfindet. Sooka trägt keinen anzug, weiß nicht, welche luft sie atmet und versucht, nicht darüber nachzudenken. unter anderen umständen hätte sie versucht herauszufinden, was sich in den wagons befindet, will ihre verbleibende energie aber dazu nutzen, möglichst weit nach vorne zu gelangen, wo vielleicht personenwagons zu finden waren und wenn nicht, dann wenigstens eine lokomtive.

immer wieder wird sie wagons überqueren, deren dächer von leuten besetzt sind, die in gruppen zusammen sitzen, wagons, auf deren dächern so viele leute sitzen, dass sie selbst sich langsam und vorsichtig einen weg hindurch bahnen muss. auf einem wagon haben alle frauen tücher um die köpfe geschlungen und kochen über feuern mit starken gewürzen. sie haben auch ziegen und hühner dabei. ihre bunten kleider werden sooka noch lange vor augen bleiben. manchmal wird sie eingeladen werden zu bleiben und an essen und gesellschaft teil zu haben und wenn sie erholung braucht, wird sie solche einladungen gerne annehmen. Ob sie ihrem ziel wirklich näher kommt, wird sie nicht wissen, wird es vielleicht niemals erfahren, aber der glaube daran wird sie voran treiben. Sooka kommt von einer welt die keinen sinn ergibt. Die bewussten völker schlagen sich gegenseitig tot, mit waffen, die aller ehrbarkeit entkleidet sind. In stahl gekleidete rosen und dolchgedanken. Versengtes land und verdampfte meere. Flüchtlingsströme, die sich gegenseitig um die letzten ressourcen bekriegen. In naher zukunft wird von dieser welt nichts mehr übrig sein. Bloß noch ein glutheißer ball mit schwefelatmosphäre und leblosen zeugnissen einer ruchlosen geschichte. Sooka wird ihre erinnerung an diese welt weit hinaus in den sternenraum tragen.

(c) venom&claw

sentinel

menschen sollten kein rohes fleisch essen. als seine herrchen damit anfingen wusste fips, dass etwas nicht in ordnung war. er beobachtete seit einiger zeit, wie sich ihr verhalten veränderte, war wachsam, wie es sich für einen guten hund gehörte. dieses leben hatte ihn viel zu faul werden lassen, den ganzen tag im haus, oder im hof, zweimal gassi gehen um den block zu markieren und jede menge zu fressen, dieses ganz leckere zeug, das aus verpackungen kam, auf denen andere vierbeiner zu sehen waren, die allerdings den namen hund kaum verdienten. viel zu klein waren die und nicht wirklich ernst zu nehmen. aber das fressen war gut, keine frage. also hatte er sich den bauch vollgeschlagen, solange das gute leben anhielt. dann gab es ein paar tage lang gar nichts zu fressen und jetzt gab es die knochen, die von dem übrig blieben, was die herrchen für sich selbst bei schafften. frisch und blutig.
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reversum

Das haus hat diesen staubigen 50er jahre flair mit senfgelben wänden und chinarestaurantkalendern im treppenhaus. Ich weiß nicht, wer hier sonst noch wohnt, aber auf der anderen straßenseite ist gleich das krankenhaus, was mich gleichzeitig beruhigt und beunruhigt. Mich gruselts. Keine ahnung wie ich hier gelandet bin. Da war noch jemand, der mit mir eingezogen ist. Mitbewohner? freundin? Warum kann ich mich nicht daran erinnern? Ich war doch auf dem aufstrebenden ast, oder nicht? Ich hatte einen job und ich hatte einen plan. Ich habe noch die klingelschilder vor augen, aber die namen verschwimmen vor meinen augen. Nichtssagende namen, inkognitos. das eine gespenst von nebenan habe ich mal gesehen, ein flüchtiger blick in ein runzliges gesicht mit getönten haaren obendrauf. Keine wärme im angesicht, kein echtes lebenszeichen. Das haus sieht schon von außen total verranzt aus. So ein haus, an dem man vorbei geht, ohne es zu bemerken. Eine nummer zwischen den nummern, zeile zwischen den zeilen, ein blinder fleck, schmachvoll. Wie bin ich hier her geraten? Ich war vor nicht langer zeit noch da draußen, bin auf die straße gegangen, aber das gefühl hat nicht gestimmt. An mir sind leute vorbeigegangen, ich habe ihre gesichter nicht erkannt, nur verwischte flecken mit dunklen andeutungen von augen und mündern, die vielleicht sprachen, vielleicht auch schrieen, aber ich konnte nichts hören, keinen einzigen laut. Ich weiß noch, ich wollte irgendwo hin, irgendwo, nirgendwo. Ich weiß nicht mehr wohin. Meine schritte sind wie am pflaster abgeglitten, haben mich immer und immer wieder an die hauswand zurück gebracht. Abgründe haben sich aufgetan. Ich dachte, ich könnte springen und dann sah ich, dass es ganz weit runter ging und ich mir ganz gewiss alle knochen gebrochen hätte, wenn ich es wirklich getan hätte. Mit dem rücken zur wand, die hand auf der brust, wo das herz ist und vor mir rasen autos ohne geräusch vorbei. Das licht ist nicht richtig, jede oberfläche, jede form, jedes detail ist in senfgelb und staub getränkt. Auch die wolken am himmel. selbst das licht geht gebeugt. Kein geräusch, kein geräusch, aber ein rattern und stampfen und walzen kommt als virbrationen von unter der erde herauf und setzt sich in meinen knochen fort. Ich bin wieder reingegangen. Hab die tür hinter mir zu gemacht, bin die treppe rauf, in die wohnung. Wieder tür zu. Rechner an. mp3-wiedergabe. Nevermind. Nirwana. Ganz laut! Und wieder mit dem rücken zur wand. An der wand entlang, bis zum fenster. Die gardine leicht zur seite geschoben. Auf der anderen seite. Da ist das rote kreuz. Leuchtet. Soll mir etwas sagen, irgendwas. Ich verstehe es nicht. Ich höre es nicht. Hab watte in den ohren. Watte im kopf. Ein wolkenhaupt. Ich schlafe tief, träume wild. Der traum ist klar zu verstehen. Glasklar. Klar wie eine brise am strand. Klar wie ein ungetrübter teich. Auf der anderen seite ist mein gesicht. Kein echtes lebenszeichen, keine wärme im antlitz, kein funke im blick. Ich wende mich ab. Es ist nacht. Es ist etwas in der luft. Ein geruch. Ich suche nach der bedeutung. Ich weiß, da ist eine, muss sie nur finden. Muss raus hier und mich auf die suche machen, die quelle finden. Ich verlasse die wohnung, schritte abwärts. Nächster absatz. Chinesischer glückskalender. Das jahr des tieres, irgendein tier. Nicht wichtig. Ich stehe vor dem fenster. Es ist wieder tag. Senfgelb, staubig. Der geruch ist stärker geworden. Ich schaue in den innenhof. Kein grün, nur grau – und eng. Kein platz für begegnung. Nur ein schacht, der in die tiefe führt. Ich sehe den boden nicht richtig. Zu dunkel, viel zu dunkel, voller schatten. Mir wird schwindlig. Richte den blick geradeaus, wie auf einem schiff, wenn einem schlecht wird vom wellengang. Der geruch beißt im hals. Ich muss husten. Rauch aus meiner lunge. Direkt gegenüber: zwei schwarze löcher in der wand, wie verkohlte augen. Brandgeruch. Fenster einer ausgebrannten wohnung. Der anblick wird zu schwer, drückt mich nach vorne. Meine stirn schlägt gegen die scheibe. Mein atem beschlägt das glas. Ich sehe den abgrund, den innenhof. Ich sehe meinen eigenen tod.

(c) venom&claw

ärger mit posaune

meine freundin meinte zu mir: „Du, im himmel ist was los“, und schaut mich mit großen augen an.
ich antwortete: „ja, so ein engel hat dem andern die posaune geklaut, hehehe.“ das lachen war natürlich schadenfroh.
„hey, woher weisst du das schon wieder?“
„ich hab’s donnern hören und auf den klang geachtet.“
„und weisst du auch, welcher engel die posaune geklaut hat?“
„so ein kleiner dicker war das.“
„nein, stimmt nicht“, rief sie froh, mir doch noch etwas erzählen zu können, das ich nicht wusste. „es war einer aus dem untergrund. der kleine dicke hat die ganze zeit die posaune bestaunt, seit dem der andere sie vor einer weile allen vorgeführt hat. jetzt zeigen alle mit dem finger auf ihn und er schreit: ich war’s nicht, ich war’s nicht.“
„ah, also hat er sie nicht geklaut, aber er hätte es gern getan.“
„genau, eigentlich wollte er’s die ganze zeit, aber hat sich nicht getraut, weil er keine cohones hat.“
„und nur so einen ganz kleinen pullermann.“
„hihi, jaja, so einen ganz kleinen. jedenfalls, weil er sich nicht getraut hat, hat ihm dann eins von den höllenkindern gezeigt wie’s geht.“
„richtig so.“
„ja, finde ich auch.“

Diabolus ex capsula

I

Er hatte sich in einer hafenstadt niedergelassen, die er noch als winziges piratennest gekannt hatte, die sich aber in den letzten jahrzehnten zu einer metropole mauserte. Er nannte sich manyshapes, beschäftigte einen famulus mit dem er einen windschiefen turm bewohnte und stand als hexenmeister hoch im kurs. Eines tages kamen fremde an seine tür und baten darum vorsprechen zu dürfen. Der famulus ließ sie ein und hieß sie warten, bis der meister sie empfange. Drei gestandene männer, denen ihre reise über das meer noch an der salzkruste auf ihrer schweren kleidung anzusehen war. Einer groß und kahl rasiert, kräftig, mit breiten schultern und starken armen, die er über seiner lederweste verschränkt hielt. er trug ein schwert an der seite. Der kleinere, schlank mit langem haar, das er zu einem schweif gebunden hatte, der dritte, beinahe fett, aber behände und mit einem ergrauten backenbart und klugen augen. Manyshapes ließ sie sich setzen, sie tranken tee, dann trug der dicke, andalus ihr anliegen vor. Er ließ sich von dem kleineren, morhad, ein säckchen reichen und legte es vor manyshapes auf den tisch. „wir müssen wissen, worum es sich bei dem inhalt dieses säckchens handelt. es sind reste eines staubes, der überall in den straßen unserer stadt gefunden wurde, nachdem sie eines nachts von einer horde dämonen angegriffen wurde. Zeugen berichten, dass ein unbekannter, oder eine bestie, einem wolf ähnlich, aber mit schwarzem federkleid, die höllenwesen und den der sie herbeigerufen hatte bekämpft und vernichtet, oder wenigstens in die flucht geschlagen hat. Der magistrat hat mich beauftragt, den fall zu untersuchen. Euer ruf hat uns zu euch geführt.“ manyshapes nahm das säckchen an sich. „ihr werdet mich in silber, oder gold bezahlen. Der preis wird sich danach richten, womit wir es hier zu tun haben und welche gefahren mit der untersuchung verbunden sind. Stimmt ihr zu?“ andalus nickte nachdrücklich mit dem kopf. „ihr werdet mir gestatten, euch einen genauen bericht über die bekannten einzelheiten des angriffs zu überreichen.“ morhad, zog ein pergament aus seinem rock und gab es an manyshapes weiter. „wir müssen wissen, ob die gefahr gebannt ist, oder nur zurückgeschlagen, alles was ihr uns darüber sagen könnt, wird euren lohn deutlich erhöhen.“
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blut brennt

eines nachts In den tagen der verbannung erwachte Sie und sah ein zeichen des krieges in den gestirnen hinter dem fenster, bei ihrem bett. Friede geht über leichen. Sie lag auf dem rücken und betastete die narben auf ihrem bauch. Ihre stadt war geplündert, ihre familie und ihre freunde waren verbrannt. Nun war es zeit, sich für die rache zu rüsten. Kathara bey schlug das laken zurück und erhob sich. Das mondlicht ließ die mystischen zeichen auf ihrer haut aufleuchten. Sie kämmte ihr schwarzes haar und band es zurück, setzte zwei spangen ein, die mit schutzzaubern belegt waren. Zuerst legte sie stiefel an, die über ihren knien in stulpen ausfielen und mit silberfäden bestickt waren, runen für schnelligkeit und sprungraft. Dann den gehrock aus dunklem echsenleder, in den symbole gebrannt waren, die ihr stärke und weiteren schutz verliehen. Zwei ritualdolche auf der innenseite, gebogen wie die sichel des mondes, aus gefaltetem stahl. Jeder faltung war ein gesang eingebunden, der ihr den beistand von geistern sicherte. Der gürtel aus der zunge eines drachens legte sich eng um ihre taille und verstärkte ihre wirbelsäule zur biegsamkeit einer schlange. Kathara ging zu dem giftschrank und nahm mehrere dosen und flakons heraus, pulver und elixiere, die rauch erzeugen und feinde in verwirrung stürzen konnten. Ein säckchen aus samt enthielt drei steine, die sie in ohren und zunge einsetzte, geschärfte sinne und die macht, mit der stimme zu schneiden. Einem kästchen entnahm sie ein kraut, das bei neumond in einem sumpf geerntet worden war, setzte sich auf knien vor das kohlebecken, blies in die glut, bis sie rot aufglomm und streute das kraut darüber, senkte dann den kopf über den blauen rauch und wartete, bis er sich in ihrem haar niederließ. Der duft würde jeden feind davon überzeugen, dass sie keine gefahr darstellte, bis es zu spät war. Auf dem tisch, zwischen kerzen, lagen schriftrollen, verträge, die sie mit dämonen geschlossen hatte und ein buch, berstend vor macht. Sie legte alle in eine tasche aus gestärktem leinen, die sie sich über die schulter hängte. Das schwert, über und über in der gehörnten sprache beschriftet, in seiner roten lederscheide band sie sich auf den rücken. Es war mit so vielen zaubern besprochen, wie ihre kenntnisse es erlaubten. Sie goss wasser in einen goldenen pokal und hielt die hände darüber, sprach worte in drei älteren sprachen darüber und trank dann in einem zug den gesteigerten geist. Kathara durchquerte den raum unter dem spitzen bogen, bis zu dem offenstehenden fenster und blickte auf die stadt hinab, die in ihrem unschuldigen schlaf dalag. Sie spreizte die finger und verschob das bild, bis vor ihr die ruinen ihrer heimat erschienen, zwischen denen die lager des eroberers lagen. Sie schritt zur tür, öffnete sie und trat in den späten abend hinaus. Eine rote sonne über dem horizont verkündete katharas botschaft an ihre feinde: blut brennt!

(c)venom&claw