[***]

bewegung schien nicht möglich
das gewicht des eigenen körpers
hielt ihn starr mit dem rücken
an den boden gepresst
weicher boden von unbestimmter textur
mit harten kanten durchsetzt
an manchen stellen feucht
die schweren glieder eingesunken
der kopf mit dem grund wie verschmolzen
das bewusstsein hielt sich nur knapp über wasser
und besah sich die welt aus einer schrägen froschperspektive
gerüche waren da – seltsame unangenehme gerüche
die in der nase stachen
und denen sich nicht entziehen zu können
etwas von folter an sich hatte
etwas heißes brannte von oben auf das schutzlose gesicht
vielleicht feuer, oder die sonne, oder der zorn gottes
risse in der ausgetrockneten haut klafften
wie eine einladung an die zunft der aasfresser
sich in ihn hineinzuwühlen, ihn auszuhöhlen und gnädig
die leibeslast von der geschundenen seele zu nehmen
fliegen tanzten obskure zeichen in die luft
ganze schwärme, zu viele um den himmel dahinter
richtig sehen zu können
aber die hitze wich schließlich
und dunkel nahm zu da oben und ringsum
und verhalf dem gehör zu größerer bedeutung
der grund war nicht ruhig
dumpfe geräusche stiegen auf
auch der geruch nahm jetzt an besimmtheit zu
der geruch von verwesung
kälte umklammerte jetzt schon den körper
und stahl sich in die knochen
nur dass er nicht zittern konnte
der mund stand offen
und die kälte stieg zwischen den zähnen auf die zunge
und in die kehle hinab
ein geräusch von der seite
zog die aufmerksamkeit auf sich
etwas traf auf den grund und sank darin ein
etwas knackte, brach und dann etwas näher
wieder und wieder
schritte, die näher kamen ganz nah
und dann innehielten, direkt neben ihm
nichts war zu sehen, aber
die gegenwart war spürbar
zeit verging ohne das etwas geschah
dann beugte sich die gestalt über ihm herab
eine berührung warm
von der hand ging ein schwaches glühen aus
als funken von lebendigkeit übersprangen
und sich langsam auf der durchlöcherten brust ausbreiteten
bewusstsein schien aus dem kopf hinab zu sinken
angezogen von der energie
die sich ebenfalls abwärts bewegte
den nabel kreuzte
von dem verwaisten ort der kraft besitz ergriff
und wie eine welle sich in den unterleib stürzte
nun regte sich etwas
auf das archaische kommando hin
erwachte das programm
dass noch tief in den nerven an den wurzeln
der genetischen parameter bereit lag
er richtete sich auf wie ein treuer veteran
und empfing die umarmung des feuchten fleisches
kräfte sammelten sich
reserven aus den tiefen des leibes erwachten
und flossen aus allen gliedern zum zentrum hin
dem knotenpunnkt über dem der turm der hoffnung aufragte
sich in die quelle des lebens streckte
um die heimat zu erlangen
lust spross empor wie ein geysir
und schleuderte alles gold in die süße des vergessens
entleerte ihn ließ ihn aufgehen im nichts
das währte ein fragment der ewigkeit
dann kam ein kleiner wind auf
der einsamkeit mit sich führte
einsamkeit
mit traumartiger gewissheit
spürte das bewusstsein
die anwesenheit anderer
neben ihm
unter ihm
die leeren und starren blicke von hunderten
die mit ihm gestorben waren
und die nun lautlos über ihn
den ausgesaugten
und zweifach getöteten
lachten

[*** – liebe im massengrab]

(c)venom&claw

Veröffentlicht von

Tobias Reckermann

Schriftsteller Mitarbeiter bei Whitetrain