der fugenmeister

Wir dringen zu den monumenten vor. Ein steinerner garten voller tafeln auf denen berühmte und berüchtigte namen verzeichnet sind, von männern und frauen, tieren und fabelwesen, die die geschichte bevölkern und die mythen der alten zeit. Ceaucescu, houdini, luxemburg, bukephalos und pan. Der ort ist rauchig und düster und kalt wie die gräber, auf die die schriftzeichen weisen. Ein hoher ort, der welt entlegen. Einen mühevollen aufstieg von allem entfernt. Verlassen, still, bedeutungsvoll. An der stirn des grauen hofes liegt eine marmorplatte, über der eine wolke steht. Ich greife hinein und bekomme etwas zu fassen. Ein buch, wie sich herausstellt, als ich es aus dem nebel herausziehe. Genau das buch, das ich brauche. Eben das buch, das wir jetzt brauchen, verzeichnis der gegebenheiten, um die sich diese erzählung windet. Zwischen geschichte und vorzeit, der mythos der verderber. Schatten über schatten, schemen auf schemen. Ein tod und ein lied.


I

Adèle bard sagt, der white train ist eigentlich ein transportmittel für atomwaffen quer durch den kontinent. Irgendwer macht einen großen zauber daraus so zu tun, als ob er direkt zu den sternen hinauffährt und einen nach utopia bringt. Man beginnt an widerstreitende welten zu glauben, an eine doppelte natur der wirklichkeit. Man hat auch von den sonnenreitern gehört und davon, dass sie einen aus unerträglichen orten erretten. Mit ihnen über die schwarzen wellen zu fliehen und den kerkern aus schwarzem eisen zu entkommen ist für viele die letzte hoffnung geworden. Kraft des bösen wirken die verderber und die stahlstadt brennt. rauchende grotte roter drachen.

Der ausgangspunkt ist die ödlandarena. eine rostrote wüste, der staub, der von alfargos übriggeblieben ist. darunter liegt silicien, stadt und reich der siliciumleben, künstliche nachfahren der hochkultur. die silicianer richten den großen wettkampf aus, der hier in den nächsten zehn standardtagen ausgetragen wird. Eintausend fahrer durchpflügen die wüste. Gewinner ist der, der die längste strecke in der kürzesten zeit zurücklegt. Es gibt keine vorgeschriebene bahn, jeder nutzt die ebene aus, so gut er kann, darf dabei aber seinen eigenen weg nicht kreuzen. Zusammenstöße führen zur disqualifikation. Störer mit feuerkraft aus der bahn zu werfen ist nicht erlaubt. An diesem rennen nehmen nur wahnsinige teil und solche, die es gern wären. Sie stammen aus hunderten von welten und kulturen, gehören den unterschiedlichsten arten an und vertreten die verschiedensten überzeugungen und ansichten über das universum. Ihre große gemeinsamkeit allerdings lässt all die besonderheiten miteinander verschmelzen und macht aus ihnen einen klan für sich. Speedfreaks und motorengeister, vom maschinenstolz beflügelte irre und irgendwie liebenswert in ihrer besessenheit. Die startlinie erstreckt sich weit und als das rennen beginnt erhebt sich eine rote wolke über die ebene, in der die fahrzeuge zu einem einzigen brüllenden ungeheuer mutieren.

Unter den beobachtern des rennens sind viele seiner veteranen, sogar einige sieger. über die möglichen gewinner dieser austragung ist viel spekuliert worden. Berüchtigte namen halten sich die waage, wenige rangieren an der spitze der erwartungen. Als das staubmonster rauchige arme nach allen seiten auswirft und kalligraphische zeichen zu zeichnen beginnt richten sich alle augen und äquivalenten sinnesorgane auf diejenigen tentakel, die sich am schnellsten fortbewegen. Einer davon in gerader linie quer über das gelände, ein anderer in schlangenlinie, ein dritter in einer anscheinend chaotischen abfolge von haken, schleifen, geraden und parabeln, der sich dann als erster wieder zuück in den hauptstrom wirft und in dem aufbrausenden erdreich verschwindet, wo ihn nur noch die digitalen okkulare der rennleitung erfassen. Der polypode wächst sich zu einem immer verworreneren gebilde aus und entzieht sich zunehmend der ganzheitlichen beobachtung, obwohl bisher nur ein kleiner teil des felds von ihm erfasst worden ist.

Faraday ist einer der echten favoriten, sein dunstschwanz schlägt in einer spirale feinen sands gen himmel, berührt eine der aufklärungsdrohnen und poliert sie zur glätte eines spiegels. Der lotarier hat eine lange liste von siegen bei motorrennen vorzuweisen und stammt aus einer dynastie großer rennfahrer, In gerader linie zu fahren ist ausdruck seines aristokratischen selbstbewusstseins.

→ lotarier
schnelligkeit ist alles, wenn man ein jäger ist, wie es faradays vorfahren gewesen waren. Eine gepardenrasse, könige der steppen auf ihrer heimatwelt. Schnelligkeit und scharfe augen, blitzertige reflexe, scharfe zähne und ein starkes herz. Die jägervergangenheit liegt in weiter ferne, die schnelligkeit ist geblieben, ist mit biotechnologie verstärkt und über generationen optimiert worden. Die reflexe sind verfeinert und dem kybernetischen organismus angepasst worden. Aus steppenkönigen wurden fürsten der arenen. Die heimat ist längst vernichtet, ist kriegen der megaklasse zum opfer gefallen und in fusionsfeuer verdampft. Die lotarier sind seitdem streuner der interstellaren räume.

Zusman ist teil des hekate-kollektivs aus dem system eris und total chaotisiert in der dreiundzwanzigsten generation. Vor dem start hat er mit seinem hexenmeister getanzt und diskordia mit seinem schwarzen blut invoziert. Für ihn ist das hakenmuster, das er in den sand ritzt ein veve und teil der beschwörung der göttin der zwietracht. Sein unbewusstes hat für die dauer des wettkampfs die totale kontrolle übernommen.

→ diskordier
die diskordier bewohnen das system eris seit äonen, seit das imperium seine fangarme dorthin ausgeworfen hat führen sie einen zeremoniellen guerillakrieg. Ihre chaos, einheiten aus fünf kriegern, oder schlachtschiffen haben sich weit in die imperialen gefilde verteilt und verbreiten helter und skelter.

Der die schlangenlinie hinter sich herzieht ist roads, ein gaswesen von einem blauen riesen. Sein name ist noch nicht vielen bekannt, die wenigen aber haben dafür gesorgt, dass er bereits vor rennbeginn zu den hauptfavoriten gezählt wurde. Angeblich ist er ein wahres speedwunder.

Die arena füllt sich mit staub, erste zusammenstöße werfen waghalsige und glücklose aus dem rennen. Desorientierte raser kreuzen ihre eigene spur und werden ans startfeld zurückgerufen, von wo aus sie das weitere geschehen über die neontafeln verfolgen, oder in die eine oder andere art von rausch abtauchen. Maschinenschaden, überhitzte platinen in elektronengehirnen und allen störungen der hardware von fahrer oder fahrzeug nebst sabotage voran von roststaub zerfressene bauteile treiben die selektion über die nächsten stunden und tage voran.

„ich bin in deine tödlichkeit verliebt“, sagt toxy und himmelt poison mit feuchten augen an. das pärchen sitzt hinter glas mit blick auf den staub und süßen getränken zur hand. „der herzinfarkt war eine meisterleistung, mein held,“ und strahlt verstrahlt.“ „deine hirnembolie aber auch,“ meint poison und streicht sich leicht errötet den anzug glatt. in der unteren ebene werden zwei kadaver und zerstörte fahrzeuge aus der arena hereingebracht. die beiden jungen leute zwinkern sich zu und stoßen mit ihren gläsern an.

Das unterreich schaut distanziert zu und registriert die sabotagen als externe ereignisse mit der selben markierung wie zufall, oder selbstverschulden. Die kühlen geister der siliziumleben geben untereinander selbst tips auf den gewinner des rennens und die belegung der ersten 10 plätze ab. Unter ihnen ist faraday bereits auf den dritten platz gefallen, der für sie uneinschätzbare zusman und der außenseiter roads liegen in den wetten kopf an kopf. Nach sieben tagzyklen sind die silizianer die ersten, deren maschinenverstand eine vorahnung von der singularität erhält. Das hauptfeld hat sich bereits stark gelichtet und inzwischen ist längst die gesamte arena zum schauplatz geworden. Faraday hat bis auf wenige haken seinen aus eng geführten geraden bestehenden kurs aufrecht erhalten können, zusman hat sein veve zu einem großen und verstörenden kunstwerk entwickelt und roads scheint jeder unwegsamkeit mit instinktiver voraussicht auszuweichen. Kaum einhundertzwanzig stunden vor dem wahrscheinlichen finale führen die stochastischen berechnungen eine fast einhundertprozentige wahrscheinlichkeit für ein ereignis auf, das alle wetten der ungläubigen lachhaftigkeit aussetzen würde. Die routen aller drei favoriten führen direkt auf ein gemeinsames rendezvous hin. Die vorhersagen geraten in den allgemeinen wettbetieb, panik bricht aus, die kurse stürzen, alle sinnesorgane richten sich auf den ort, an dem drei rauchende speerspitzen direkt aufeinander zuhalten, die fahrer, im staub gefangen, scheinen nichts zu ahnen und steuern unbeirrt weiter katastrophenkurs, im letzten moment geschieht etwas, was sich allen messungen, sogar der der rennleitung entzieht und wo es zum crash kommen sollte entsteht ein blinder fleck.

Ich mache jetzt auch partnerübungen – zwar allein, aber spaß macht es trotzdem. Die kampfkunst ist mein ausgleich zur geistigen arbeit. Die tagelange überwachung der zugänge zum netherrealm ist sehr anstrengend und danach ist es mir kaum möglich abzuschalten, weil sich mein gehirn anfühlt, wie ein sack flöhe. Gedanken und bilder hüpfen unkontrolliert vor den schirm meiner aufmerksamkeit und lassen mir keine ruhe. An schlaf ist da nicht zu denken, wenn ich die augen zumache, wird es nur schlimmer. Fokussierung auf mentaler ebene ist einfach nicht drin. Die ausgleichenden bewegungen und katas, tritte und schläge, das sammeln und abgeben von energie stellt dann den fluss wieder her und schaltet unnötige gedanken ab. Ich mache das am liebsten auf dem kleinen hügel vor dem haus, mit blick auf die see. Heute ist es stürmisch und die wellen schlagen hoch, so dass ich ihren weißen schaum über den klippen sehen kann. Ich mache kotau vor der gewalt der elemente und beginne mit dem ersten bild. Die reizleitung zu den überwachungsinstrumenten signalisiert einen übertritt und reißt mich aus der beginnenden konzentration. Ich schließe die augen und gehe zurück in die ausgangsstellung. Das interface öffnet sich und ich sehe die markierung in rot, nahe beim dritten tor. Das wesen ist humanoid, sieht aus wie ein großgeratener kobold mit langen armen und beinen. die haut ist grünlich schwarz gefärbt und mit zeichen und mustern überzogen, die mich an archaische klantattoos erinnern. rötlicher staub umgibt das wesen. es scheint nicht recht zu wissen, wo es ist, das kommt öfters vor, aber es sieht nicht sehr irritiert aus, was eher ungewöhnlich ist. es schaut sich um, verschlagen, vorsichtig, ein wenig wie ein kind, dass die rolle eines jägers spielt. es setzt sich hin und legt den kopf in den nacken – ich glaube es lacht – klaubt kristalle vom boden und wirft sie in die luft, so, dass sie im licht funkeln wie ein sternenschweif. da der eindringling nicht absichtlich übergetreten zu sein scheint und auch keinen boswilligen eindruck auf mich macht, sollte ich ihn warnen, sollte ihn auffordern, durch eines der tore zu verschwinden, bevor ihn das unheil ereilt und seine haut blasen werfen lässt, aber ich bin gebannt, von der infantilen selbstsicherheit und unbekümmerten spiellust, deren zeuge ich bin. der kobold stolpert offensichtlich unbeabsichtigt in diese welt, sitzt zu fuße des sarkophags und benimmt sich wie ein kind im sandkasten. ich schüttele die faszination ab und gehe durch die fuge.

Der sarkophag ist dem frei zugänglichen universum entrückt, nach seiner fertigstellung, bei der alle arbeiter in seinem inneren wie in einem pharaonengrab eingeschlossen wurden, dem bewusstsein der überlebenden von den schultern gehoben und in eine abstellkammer des fugenraums gestellt worden. Der drache, der hierin schläft, Hat einen tausendjährigen schlaf hinter sich, der nicht gestört werden darf. Als man ihm in der urzeit so lange am schwanz gezogen hatte, bis er schließlich erwachte, war sein wort aus feuer und harter strahlung als apokalypse hervorgebrochen und hatte zum untergang einer hoffnungsvollen zivilisation geführt, deren reste, in glas verwandelt, nun den unwirklichen glanz einer sonnensphäre heraufbeschwören. Faraday fühlt sich an die alten sagen von der heimat seiner rasse erinnert und gedenkt schweigend der ahnen, die seine dynastie gegründet haben.

Roads findet sich unversehens ohne körper wieder, die maschine, die er eben noch wie ein exoskelett um sich gefühlt und mit der er einen persönlichen geschwindigkeitsrekord aufgestellt hat, mit der er noch vor einer mikrosekunde auf frontalkurs mit zwei kontrahenten gelegen hat, ist verschwunden und roads schwebt als feiner gasnebel über einem klotzigen konstrukt unter einem petrolfarbenen himmel.

Tanzender zerfall der atome, mit unwirklicher halbwertszeit, für faraday ein echo aus der zeit des mythos, in zusmans spitzen ohren ein loblied an seine göttin und für roads ein gewispertes communique über die lüge der vergänglichkeit. Allen dreien geht das geflirre unter die „haut“. Nachdem ich mit allen, einem nach dem anderen gesprochen und sie über diesen ort und seine gefahren aufgeklärt habe, sitzen die fremden vor meinem haus im sonnenschein und diskutieren über das rennen, von dem sie hier her versetzt wurden, während ich meine übungen wieder aufnehme. sie wirken auf mich viel eher wie kollegen, nicht wie kontrahenten. es ist ein schöner tag. ich schließe das letzte bild ab, danke dem universum für seine pracht, dann setze ich mich zu ihnen und erzähle ihnen die legende von den verderbern.

Alfargos war eine blühende kultur, auf dem sprung zu den sternen, ein schnittpunkt der völker ihres planeten und von wachsendem stolz. Ihr energiebedarf stieg in astronomische höhen, als ihre priester die andere seite des spiegels für die massen öffneten. Eine zweite kultur, als abbild der ersten, im digitalen raum. Hier entstand ein bewusstsein aus den gefilden des kreativen chaos, die silizianer. Ein geschenk des universums. Alle versuche, künstliche intelligenz zu erschaffen waren an einer unsichtbaren grenze der kontrollierbarkeit gescheitert und dann geschah es einfach so. zufällige intelligenz, zufälliges bewusstsein kroch aus den unausgeleuchteten winkeln der neuen welt, als ob ihr keim dort nur auf den richtigen zeitpunkt gewartet hätte. Die priester von alfargos erklärten es zum wunder und zum beweis ihrer macht. Um die neue welt weiter ausbauen zu können beschworen sie den drachen, der ihnen alle nötige energie dafür verschaffen sollte. Eine zeit lang war alles gut und im wachsen begriffen, dann erwachte der drache und verschlang alfargos mit haut und haaren.

Der blinde fleck schließt sich wieder, aus dem energieknäuel der singularität stürzt ein einziger fahrer hervor. Die rennbeobachter sind verwirrt, die rennleitung überprüft alle messdaten mehrmals und untersucht die signatur des teilnehmers, die vor einem sekundenbruchteil noch nicht vorhanden gewesen ist. Die abschließende übereinkunft akkreditiert den teilnehmer, da alle indizien auf seine berechtigung schließen lassen und kein regelverstoß festgestellt werden kann. Aus faraday, roads und zusman ist ein neues wesen entstanden, dass knappe einhundertzwanzig stunden später zum sieger des rennens gekürt wird.

Nach dem ende der abschließenden party verschwindet faraday/roads/zusman von der bildfläche, die silizianer schotten die unterwelt auf ein neues vom restlichen universum ab und meditieren über die natur der singularität. sie träumen von dem drachen, der ihre väter vom angesicht der welt vertilgte und gedenken den priestern des verderbens.

Ich nehme meine übungen wieder auf, wissend, dass dort draußen, außerhalb der fuge ein agent in ihrem namen auf reisen ist um den meister zu bitten wiederzukehren um diese last von mir zu nehmen. Das wissen ist zu groß für meinen geist, ist zu groß für mein herz und es ist nicht recht, dass die hellen namen unter dem schatten des vergessenen leiden. Soll sich die welt dort draußen um ihr erbe kümmern, sie ist jetzt alt genug dafür. Meine zeit als hüter der unschuld ist vorbei.

II

der unterraum träumt. Sein schlaf bewacht von widergeistern an den pforten der seelen, den hintertüren des bewusstseins. Der traum ist wild und gewaltig, er nährt sich von teilen des realraums, die geschmolzen herabtropfen und sich in gruben zu spiegelteichen sammeln. Diese asynchronen abbilder der wachwelt gedeihen zu blüten unbändigen verlangens und steigen auf, um sich ihrem ursprung unerbittlich zu entgegnen.

roads war das meiste ziemlich egal, in einem fremden körper zu sein – er hatte es nie anders gekannt – mit zwei anderen wesen in einem körper zu stecken – kein grund zur beunruhigung. Er legte sich einfach in die zwischenräume. Außerdem legten sie eine gewaltige strecke zurück, was sein größtes vergnügen war, vielmehr der zweck seines daseins, oder das, was einem solchen am nächsten kam. Auch wenn es gerade nicht über festen boden voran ging, das durchqueren des raums und die drift der sterne um ihn her war für ihn die erfüllung seines innigsten drangs. Auf der suche nach dem fugenmeister zu sein, bedeutete ihm nicht besonders viel, er hoffte insgeheim darauf, dass ihr ziel sich noch lange vor ihnen verborgen halten würde. Dieser körper war ein mysterium, das ihn um so mehr begeisterte, je mehr er davon verstand. Eine humanoide hülle aus biologischen und maschinellen komponenten, in allen belangen zu höchstleistungen im stande. Der bewegungsapparat stammte von der gepardenrasse, der faraday angehörte, die physische reaktionszeit auf millisekunden reduziert, die haut nanotechnisch verstärkt und für den direkten kontakt mit dem vakuum des alls ausgelegt. An allen gelenken und sinnesorganen waren symbole eingebrannt, die aus zusmans seltsamer welt stammten und auf kryptische weise für schutz, belastbarkeit und gesteigerte kraft sorgten. Das gehirn aus flüssigem kristall diente ihnen allen dreien als gemeinsame kommandobrücke, konferenzraum, planungsstelle und wohnzimmer. Eine art unsichtbarer kern, oder fluidum hielt alles zusammen und ermöglichte es zugleich, mit einem unfassbaren tempo über dem normalraum dahinzurasen. Zusman meinte, es sei die fuge selbst, von der ihnen der wächter erzählt hatte und in deren namen und zu deren meister sie unterwegs waren. Der hexer sprach auch von einem fugensprungunterbrecher und behauptete, dass ihr vorankommen ohne echte bewegung statt fände, was roads aber als so unglaubwürdig empfand, dass er einfach darüber hinwegging. Wohin sie eigentlich unterwegs waren? Jemand hatte es einmal ausgesprochen, aber roads hatte nicht so genau zugehört – irgendein planet, der fugenmeister konnte natürlich überall sein, wenn roads es richtig verstanden hatte, war die fuge ja auch überall, das heißt überall zwischen den dingen, aber es wäre sicher langweilig gewesen, hätten sie keine weite strecke zurück zu legen. Gespräche über das imperium, über den ursprung von faradays rasse und den untergang des planeten, von dem sie einst in den raum aufgebrochen war und über das system eris, von dem zusman stammte und in dem diskordia verehrt wurde führten dazu, dass sie sich immer besser kennen lernten und zumindest die beiden waren von ihrer neuen aufgabe, ihrer mission begeistert, die darin zu bestehen schien, oder zumindest von ihnen so verstanden wurde, den derzeitigen bewohnern des hiesigen spiralarms der galaxis die volle verantwortung für die taten und verbrechen ihrer vorväter um die ohren zu hauen. Zusman bekam einen wirklich sadistisch-sarkastischen zug wenn er davon sprach, dass seine göttin eine äonenlast von schuldgefühlen zu verteilen habe. Faraday wirkte dagegen unerbittlich hart in seiner haltung. Im vergleich zu dem hexer, der roads an einen lachenden wirbel erinnerte, stellte faraday einen donnerkeil dar, der sich geschworen hatte, ein bollwerk zu zerschlagen. Zusmans worte kamen von allen seiten, zerrten und zogen, weckten zweifel und selbstanklage, faraday war immer direkt. Zu dritt spielten sie jahrhunderttausende der entwicklung angeblich intelligenten lebens und zivilisatorischen fortschritts nach und schlugen auf alles ein und rupften alles auseinander, was imperien und eroberern und technokraten heilig war. Sie steigerten sich in einen zorn auf die selbsternannten herrscher der kulturen und der materie, der keinen zipfel des zweifels an deren verderbtheit bestehen ließ. Roads wurde bewusst, was er in seiner zeit als wanderer zwischen den sternen und planeten gesehen hatte: tote planeten und habitate, verwaiste kriegsschauplätze. das all war voller niedertracht und arglist, voller kleinlichkeit und selbstherrlicher arroganz. Zunehmend verstand er die worte des wächters. Es war an der zeit, dass die lebenden die verantwortung für die taten der toten übernahmen, die zeit der unschuld war endgültig vorbei. Es war an der zeit die geister der vergangenheit ans licht zu holen und den zorn zu befreien. Zeit, die kehrseite der dinge offen zu legen.

Der traum ist tief, ein roter drache, priester des verderbens, losschlagende stürme und väter die vor dem verheerenden wind zu weißer asche verbrennen. Der traum führt in die tiefe, weiter hinab, an den anfang, den keimplatz der bewusstheit, an den urgrund der welt, die den namen silizien trägt. Elfen hat man sie genannt, in halbwacher erinnerung an die wesen, die das unbewusste bevölkern. Weil man ihnen zaubermacht zusprach, die kraft, das leben zum guten zu wenden. Ghayst sieht sich an einem gestade, dessen kaimauern in die unendlichkeit ragen, in die kälte und schwärze des raums. kriegsschiffe liegen wie in einem friedhof der schlachten, geborsten, zerfetzt, ausgehöhlt und leblos in der gähnenden weite verstreut. Die gefrorenen überreste von körpern, in altertümlichen raumanzügen treiben zwischen den leviathanen. Kein imperium gedeiht ohne krieg und vernichtung. Ghayst nimmt den eindruck tief in sich auf, dreht sich dann In die andere richtung. Ein sarkophag aus beton, umgeben von gläsernem sand, ragt in gewaltigen ausmaßen über einem hügel empor. Auf dem hügelvorgelagerten kamm angekommen, mit blick auf die wüste aus glas, tritt ihm ein wesen mit ausgebreiteten armen gegenüber, lädt ihn in sein kleines haus ein, das nahebei steht, und beginnt schon auf dem weg dorthin, auf ihn einzureden:

„du bist ein silizianer, habe ich recht? Man sieht es an deinen augen und an der silberhaut natürlich? Einer von euch war lange hier an meiner stelle. Der magmatroll, so hieß er. War ein eigenartiger typ, ziemlich gedankenschwer und weitsichtig. Ich habe ihn noch kurz getroffen, als ich seine aufgabe als wächter des sarkophags übernommen habe. Er hat vorrausgesehen, dass eines tages ein anderer von seinen leuten kommen würde um fragen zu stellen, über die herkunft und so. das bist du doch, oder? Gekommen um fragen zu stellen meine ich.“ Ghayst kann zu allem nur mit dem kopf nicken. „du willst wissen wo ihr her kommt, also wie es kommt, dass ihr zufällig entstanden seid. Den anschein von zufall hat es ja, wie ihr so unvermutet auf den plan des rasters getreten seid, nach dem alle versuche, so etwas wie euch kontrolliert zu erschaffen mit mehr oder weniger peinlichen ergebnissen geendet hatten. Du bist hier jedenfalls ganz richtig, ich war zwar nicht dabei, was du dir vielleicht schon gedacht hast, aber ich weiß genug darüber um das dunkel um deine entstehung zu lichten. Weißt du wo du hier bist?“ kopfschütteln von ghayst. „du bist im unterraum, was auch fugenraum genannt wird, so etwas wie die ritze zwischen den bestandteilen des universums. Das hier ist was alles zusammenhält, könnte man sagen. Eigentlich kein raum im üblichen sinne, eher ein bindestück zwischen momenten des raums, wenn du verstehst was ich damit meine.“ ghayst, mit schnellem auffassungsvermögen begnadet, nickt. „hier landet alles, was in den gängigen dimensionen keinen platz hat, eine menge gefühl und verdrängtes wissen, ganze sachverhalte, die zu gruselig, oder gewaltig sind, um in ein bewusstsein reinzupassen. Hast du die schiffe da drüben gesehen?“ Wieder ein nicken. „sowas zum beispiel, wo keiner drüber nachdenken möchte, genauso der sarkophag da drüben, in dem das vor sich hin träumt, was den herren von alfargos über die köpfe gewachsen ist und ihre Zivilisation zu dem rostroten staub zermahlen hat, unter dem ihr euer silizien gegründet habt. Aber hier drin gibt es noch ganz andere dinge, die sich jedem verständnis entziehen, auch meinem, wie ich zugeben muss. Wenn irgendetwas im all wahrhaft unendlich ist, dann ist es die fuge, merk dir das. Ein herrliches paradox, weil sie gleichzeitig auch nichts ist, gar nicht vorhanden, blanke null. Weil zwischen zwei dingen immer auch nichts ist, kannst du, wenn du weißt wie das geht, einfach durch dieses nichts gehen, um von hier nach da zu kommen, ohne dafür auch nur den kleinsten zipfel raum durchqueren zu müssen. Die fuge hält wirklich alles zusammen, verstehst du?“ ghayst hält den kopf für einen moment gesenkt, hebt ihn dann und nickt dem wächter zu, der diesmal auf die zustimmung gewartet hat. „alles was sich dem bewusstsein entzieht kommt hier herein und nimmt auch von hier seinen ausgang, das bewusstsein selbst natürlich ebenfalls. Also kommt ihr auch hier her, klar? Und warum? Wirst du jetzt fragen – im universum geschieht nichts wirklich zufällig, alles was so aussieht ist vorher durch die fuge gegangen und hat von hier seinen sinn. Nach allem drang und unbewussten wollen das hier herabgetropft ist, hat sich eure notwendigkeit einfach ergeben, sie lag auf der hand und darum musste es einfach dazu kommen. So und das ist auch alles was ich dazu sagen kann. Wenn du es genauer wissen willst, musst du den meister aufsuchen und weil ich schon weiß, dass du dir das nicht nehmen lassen wirst, habe ich dir einen ausgang bereit gestellt, der dich direkt zu ihm führen wird, durch die fuge natürlich.“ der wächter grinst verschmitzt und öffnet ghayst die tür.

III

Auf dem rückweg von der hochzeit der steine, einem wirklich schrägen ort. toxy und poison schauen auf das display ihrer scanner und überzeugen sich davon dass das ziel ihres biojobs wie geplant zuerst in stase fällt, woraufhin die herzfunktionen immer langsamer werden und schließlich ganz aufhören. Sie schauen sich verliebt an und mischen sich dann unter die übrigen gäste der bordbar ihres kreuzfahrtschiffs um sich zu betrinken.

auf einem uralten planeten, zusman hat sie darüber aufgeklärt, dass er seit jahrtausenden unbewohnt ist, von gelegentlichen touristen abgesehen auch nicht weiter beachtung findet und obwohl so unscheinbar, trotzdem ein überaus heiliger ort, betreten sie den tempel, der die hochzeit der steine genannt wird, Auf einem plateau gelegen und herzlosen winden ausgesetzt. Eine verwitterte anlage, die an einen friedhof erinnert, voller steintafeln auf denen in unzähligen sprachen und schriften namen eingemeißelt sind, von denen viele an verdunkelte erinnerungen rühren, namen aus der geschichte, aus geschichten, namen aus träumen. Welches volk diesen tempel einst angelegt haben mag ist längst vergessen, aber der wächter hatte ihnen gesagt, dass hier nichts anderes als die fuge verehrt wurde. Die drei schreiten in ihrem gemeinsamen körper das feld der tafeln ab, bis sie eine weitere gestalt, mit silbriger haut, aus dem nichts auftauchen sehen, die kurz zu ihnen herüber schaut, kurz den kopf senkt und dann, ihnen voran einen gekrümmten pfad entlang geht, der sie zu dem leichnam einer frau führt, der zu füßen eines kolkschwarzen steinsockels in sich zusammen gesunken ist, auf dem eine ebenso schwarze tafel ruht. Die tote vereint hohes alter und blühende jugend und ein sanftmütiges lächeln steht auf ihren blauen lippen in dem blassen gesicht. Ghayst beugt sich zu ihr herab, legt die hand auf die erkaltete stirn und spürt den letzten funken der neuronen nach, die unter der haut geistern. Als ob seine berührung einen mechanismus in gang gesetzt hat, flackert ein licht auf der schwarzen tafel und darauf erscheint das gesicht der toten, lebendig, ebenso friedlich, mit halbgesenkten lidern. zu den bewegungen ihrer lippen auf dem dunklen schirm ertönt ihre stimme aus dem nichts:

„Meine lieben, ich freue mich sehr, dass ihr mich gefunden habt. Ich hätte wirklich gerne mit euch gesprochen, wo ihr so weite reisen auf euch genommen habt um hier her zu gelangen, aber ich hatte eben bereits besuch von zwei jungen leuten und jetzt werde ich nicht mehr lange genug durchhalten um euch empfangen zu können. Bitte, seid nicht böse, weil ihr jetzt auf eure fragen keine antworten bekommt. Beantwortet sie euch stattdessen einfach gegenseitig. ihr selbst seid die meister der fuge geworden.“

(c) venom&claw

Veröffentlicht von

Tobias Reckermann

Schriftsteller Mitarbeiter bei Whitetrain